Einskaldirs Schicksale

 Personen:

Graf: Skalaran

Gräfin: Yalienaira (gestorben bei Josuas Geburt)

ältester Sohn des Grafen: Skalion –> seine schwangere Frau: Belriel –> Sohn: Skalthelion

Töchter: Josina Argil Yalanor–> Frau von Brandir (gestorben bei Brandirs Flucht im Jahre 46)

Josdal Arrían Yalreth –> Frau von Halrandir (lebt auf einem Anwesen Gondors)

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Josua Skaras Einskaldir –> Ava Einskaldir –> Zwillinge Marlin und Yalie

Hastean: Hauptmann der Grafengarde (Leibwache des Grafens) und Freund von Josua und Sangfugol

Sangfugol: Hofmusikant und Freund von Sangfugol und Hastean

Alatáriel: kleines Mädchen, mag Musik und ist Josuas kleine Spionin (sehr neugierig) und ist die uneheliche Tochter von Josina und Josua

Ihr Geburtsname lautet: Yoláriel Josina Sangreth

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Es ist ein früher Morgen. Die Sonne ist gerade über den Silberhain geklettert und färbt den Granitboden hell ein, dort wo das Licht ins Zimmer einfällt. Sogar die Vögel singen, die Grafschaft erwacht zum neuen Leben. Kinder springen unter seinem Fenster hindurch, spielen draußen mit Seilen und freuen sich. Überhall in den engen Gassen hört man Kindergelächter. Sie sind auf dem Weg zu ihren Ausbildungsstätten.

„VERFLUCHT NOCHMAL! GEHT DAS NICHT LEISER!“ brüllt der Grafensohn, spritzt von seinem Stuhl vor dem Sekretär auf und hechtet zum offenen Fenster. Er setzt an, etwas zu brüllen, hält aber gerade noch inne um Kontenose zu wahren. „Ava, was ist geschehen? Warum schreibst du mir nicht…“.

Niedergeschlagen geht er zu seinem Schreibtisch zurück und zerknüllt einen Brief an seine Gattin nach dem anderen. Dutzende hat er geschrieben, aber niemals Antwort erhalten. Warum nur läuft alles so schief!

Den letzten Brief an seine Familie hält der Josua noch zerknüllt in der Hand als es an der Tür klopft.  „JETZT NICHT!“ ruft er, doch die Tür ist schon offen und es steht eine hübsche, junge Frau im Türrahmen. „Imormyn, Gnädigste, bitte, was war an jetzt nicht NICHT zu verstehen?“ zischt er und winkt ab. „Ich habe zu tun!“ Noch während er spricht glättet er den Brief fein säuberlich, gar liebevoll wieder in seiner Hand. Josua sieht verzweifelt aus. „Verzeiht Herr, spricht das Mädchen. Ich komme um eure Post abzuholen, so wie ihr es mir aufgetragen habt. Mein Herr, wollt ihr es nicht bald aufgeben? Der wievielte Brief ist das? Ich kann es nicht mehr zählen und es quält mich euch leiden zu sehen.“

„Es wird der letzte sein…. Ja, der Letzte“ Josua steht auf legt den Brief auf das Pult und kehrt seiner Zofe den Rücken zu. „856 Briefe… und nicht eine Antwort“, flüstert er und bleibt genickt am Fenster stehen. Lange blickt er hinaus. „Wie geht es meinem Vater? Wo bleibt mein Bruder? Ich will nach Hause.“ Schweigen hüllt den Raum ein. Nur ein Knistern verrät, dass eine Hand den Brief für Ava und seine Kinder genommen hat. Und plötzlich steht Imormyn direkt hinter ihm. „Mein Herr“, haucht sie fast im betörenden Flüstern, „es steht nicht gut um ihn. Er wird jeden Tag schwächer.“ Sie hält inne und fügt dann leise hinzu: „Aber Josua, Ihr seid zu Hause. Dies ist deine Heimat.“

Und damit lässt sie den schweigenden jüngsten Spross der Familie Einskaldir in seiner Trauer, Wut und Einsamkeit alleine.

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Ava ist schon seit Sonnenaufgang unterwegs. Ihr Pferd, die weiße Stute, die das Hochzeitsgeschenk ihres Mannes war, läuft munter die Wege der Grafschaft entlang, zielstrebig auf der Herrenhaus zu, dass sie wohl noch als ihre alte Heimat wiedererkennt. Ava hatte Mara und die Zwillinge an der Grenze zur Grafschaft zurückgelassen. Der Weg von der Insel nach Ithilien war beschwerlich gewesen mit den beiden kleinen Kindern und so hatten alle drei etwas Ruhe verdient. Doch Ava kann nicht ruhen ehe sie nicht den Grund ihres Besuches hinter sich gebracht hat. Es ist eh besser, wenn die Kinder nicht dabei sind. Sie sollen nicht zwischen die Fronten geraten.

Recht gefasst blickt Ava auf das Haus, dass inzwischen schon recht nah gerückt ist. Erst einmal zuvor war sie hier in Josuas Heimat gewesen. Bei unserer zweiten Hochzeit. Sie kann sich noch gut an die zeremoniellen Zwänge erinnern, die ihr damals auferlegt worden waren. Gehasst hatte sie sie und doch hatte sie sich Josua zu liebe brav daran gehalten. Eine Bürgerstochter sollte eben keinen Adeligen heiraten. Trotzdem war es eine wunderschöne Hochzeit gewesen und Ava hatte schnell alles um sich herum vergessen, da sie die meiste Zeit des Tages einfach nur in Josuas Armen verbracht hatte.

Dieses Mal würde es wohl nicht der Fall sein. Denn Ava ist hier um einen klaren Schlussstrich zu ziehen. Keine quälenden Nächte voller Tränen und Warten mehr. Nein, das möchte ich nicht. Keine falschen Hoffnungen mehr, dass er zurück kehrt. Ich will und brauche einen Neuanfang. Es hat wohl einfach nicht sollen sein. Nach seinem Weggang hatte sie Tage, Wochen, Monate damit zugebracht sich die Augen auszuweinen. Sie hatte keine ruhige Nacht mehr und keinen ruhigen Tag. Unentwegt hatte sie sich gefragt, was sie falsch gemacht hat. Hunderte von Briefen hatte sie geschrieben, hatte gefleht, gehofft, geflucht. Und nichts. Keine Antworten. Es hatte lange Zeit so weh getan, wie nichts in ihrem Leben zuvor.

Doch ein altes Sprichwort hatte sich nach einer Weile bewahrheitet. Die Zeit heilt alle Wunden und so war es auch bei Ava gewesen. Die Zeit und einige gute Freunde. Nunja, alle Wunden ist vielleicht übertrieben. Aber das Leben war einfacher geworden. Oder eher, Ava hatte wieder angefangen zu leben. Neues Haus, mehr Schwung im Tempel, mehr Zeit mit der Familie und ja…vielleicht auch jemand neues in meinem Leben. Um diesen Neuanfang möglich zu machen ist sie hier. Denn Josua, und damit ihr altes Leben, kann sie nicht so ohne weiteres hinter sich lassen. Nicht ohne vorher nochmal mit ihm zu sprechen. Einen klaren Schlussstrich zu ziehen. Damit mich diese Zweifel nie wieder quälen!

Die Wachen am Eingang schauen schon etwas skeptisch der Reiterin entgegen. Sie erkennen wohl zuerst das Pferd und dann seine Besitzerin. Ava steigt herab und sofort kommt ihr ein Diener des Hauses entgegengeilt. Obwohl ihn Ava noch nie zuvor gesehen hat, verneigt er sich leicht vor ihr und bittet sie dann ihm zu folgen. Er würde sie anmelden.

Er stand noch immer da. Die Hofdame war schon lange fort. Sie hatte den Brief mitgenommen, aber auf Reisen würde er nie gehen. Wie alle anderen Briefe zündete die treue Dienerin die Post an Josuas Familie auf ihrem Zimmer an. Sie hatte immer wohlig warm und war sich sicher der Dunedain würde Ava nicht wieder sehen wollen. So viele Briefe Opfer ihrer Intrige auch waren, sie zeigten langsam Erfolg. Josua war gefrustet, verzweifelt und zornig.

Sein Abschied von seiner Familie war nicht gut gelaufen. Vielleicht, nein, so musste er jetzt zugeben, sicherlich gab es keine Hoffnung auf vertrautes Glück. [i]Bürgerlich und Adel, vielleicht sollte es nicht sein.[i] Ein Blick über die restlichen angefangenen Briefe fassen einen traurigen Schluss in ihm. Er musste Ava, die Kinder und somit sein ganzes Glück vergessen. Die Zeit würde Wunden schließen, auch wenn sie noch so tief waren und vielleicht taten sie es auch schon. Er würde keinen weiteren Brief mehr schreiben.

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Es klopft abermals und reißt Josua aus dem Trübsal.

„VERGEHT NICHT MAL EIN AUGENBLICK OHNE SORGEN! Herrein!“

Es war einer der Boten des Krankenflügels, ein junger Mann, vielleicht würde er die Gunst haben Heiler zu werden. „Was gibt es. Schlechte Nachrichten kann ich nicht mehr hören!“

„Verzeiht, Herr. Ich habe keine Besseren. Wir brauchen die Heilmittel für euren Vater. Schnellstens! Wir können die Zeit nicht anhalten und wir verlieren den Grafen“. Der Junge schlotterte mit den Knien. Der Grafensohn war hin längst nicht als der ruhigste in letzter Zeit gebannt. Es kam schon mal vor, dass er alle Leute, auch Rang hohe Mitglieder der Familie, hochkant aus seinem Arbeitszimmer geworfen hatte. Diesmal aber nicht. Der Junge konnte kaum etwas für die Situation am Hof.

„Sie sollen sich etwas einfallen lassen! Ich habe nicht die Gabe ihn gesunden zu lassen. Glaubt mir, nichts würde ich lieber sehen und jetzt geht und schickt Boten aus, sie sollen meinen Bruder finden. Und es ist mir egal wie sie das anstellen.“

Josua winkt ab und damit hatte der Junge zu gehen, was er auch tat. Sorgenschwer treibt er sich die Schläfen. Es grämte Josua so tatenlos sein zu müssen. Und wieder klopft es. „Das glaube ich einfach nicht! WAS GIBT ES NUN SCHON WIEDER?“

Es klopft erneut. „VERFLUCHT NOCHMAL, HERREIN!“

Wieder ein junger Mann. Ein Knappe, einer der wenigen die Josua anlernt, denn Hastean, den Oberst der Grafenwache und sein Freund hatte er ausgeschickt den vermissten Bruder zu finden. Auch von diesem fehlte jede Spur. Sangfugol, sein bester Freund ritt ebenfalls mit. Auch verschwunden.

„Ja, Junge, ich habe dein Lektion vergessen. Heute Nachmittag finde ich Zeit. Hast du mit dem Holz geübt, Junge?“

„Nein Herr“, Josua neigt resigniert das Haupt. Nicht mal der Kleine tat augenscheinlich was er von ihm verlangte, doch er fährt fort zu sprechen: „das ist es nicht. Ich komme weil…“.

Weiter brauchte er nicht zu sprechen, denn jetzt sah Josua was, besser wen, der Junge ankündigen wollte. Um Jahre gealtert schien der Grafensohn. Stocksteif steht er da, weiß gekleidet, wie so viele in der Grafschaft, und starrt Augenblick um Augenblick ins Antlitz seiner Frau. War sie noch seine Frau?

Keine Regung findet man an dem Mann, der seine Familie so sehr vermisste. Die Welt schien still zu stehen. „Geh Junge“, flüstert er dem Knaben, obwohl es eher den Anschein machte der Dunedain spräche mit der Wand.

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Ava folgt dem jungen Knappen. Es geht durch die Eingangshalle, einige Treppe hinauf, einen Flur entlang. Der Weg scheint entlos zu sein, denn für Ava ist er wie ein Spießrutenlauf. Dutzende von Augen heften auf ihr, die Leute bemühen sich nicht mal so zu tun, als würden sie wegschaun. Sie starren sie an, durchbohren sie förmlich und schon geht das Getuschel los. Innerhalb kürzester Zeit würde die ganze Grafschaft um die Ankunft von der Frau des Grafensohnes wissen. Was für ein Skandal!

Ava weiß es nicht, aber ihr Ruf hier im Lande Einskaldir, hatte schwer gelitten innerhalb des letzten Jahres. Wurde sie auf der Hochzeit noch bewundert, bestaunt und auch ein wenig beneidet, freuten sich damals noch die meisten mit ihr, so ist die Stimmung ihr Gegenüber jetzt eher schlecht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass zwei Menschen in dieser Grafschaft so ziemlich alles daran gesetzt haben ihren Ruf kontinuierlich zu ruinieren. Zum einen ist es Imormyn, deren Absichten gegenüber Josua wohl schon immer recht spezieller Natur waren. Als Ava auf ihrer Hochzeit weiß trug, trug sie schwarz, wie in Trauer. Sie hatte noch nie ein gutes Haar an Ava gelassen und nun, durch die offenkundigen Probleme, die das Paar wohl hatte, vielen ihre Worte endlich auf fruchtbaren Boden. Die andere Person, die kräftig im Pott des Klatsch und Tratsch mitmischt, ist Josuas Schwager. Durch die Krankheit des Vaters und die Abwesenheit des älteren Bruders sind die Amtsgeschäfte vorübergehend an Josua übertragen worden. Als den nächsten männlichen Nachfolger. Doch legitimiert ist dessen Position keinesfalls, so dass der Schwager alles daran setzt den Stuhl auf dem Josua sitzt, heftig ins Wanken zu bringen. Und eine scheinbar zerrüttete Ehe kommt da grade recht. Wie will er sich denn um einen ganzen Landstrich kümmern, wenn er nicht mal daheim die Herrschaft hat? Das kommt davon, wenn man nicht standesgemäß heiratet! Und sicher, dass die beiden Kinder auch Josua stammen? Man sieht, eine Menge Gerüchten kursieren darüber, warum der Grafensohn vor inzwischen einem ganzen Jahr allein auf die Grafschaft zurück kehrte und warum seine Frau bis heute nicht erschienen ist!

Dieses ganze Rumoren ist Ava doch vollkommen gleich. Denn ihr Herz schlägt bis zum Hals, als der junge Knappe schließlich vor einer Tür stehen bleibt und anklopft. Wie wird es sein ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen? Ava hat feste Vorsätze, hat lange geprobt für diesen Moment, doch trotzdem steigt ihre Nervosität genau in dem Moment, als sie seine Stimme hört. Der Knappe öffnet die Tür und ein kurzes Gespräch entsteht, dass Ava kaum wirklich hört. Sie selbst folgt nur langsam, ganz langsam. Es brauch zwei Schritte ihrerseits in den Raum, bis sie ihn sieht. Josua!

Das schwarze Haar, die blauen Augen, er scheint sich fast nicht verändert zu haben. Er hat ein paar Sorgenfalten mehr…aber, die habe ich wohl auch. Er ist so fein angezogen, dass Ava sich für ihren Aufzug fast schämt. Zwar trägt sie immer noch den guten Reiseumhang, den Josua ihr einst gegeben hatte, den aus dem blauen Stoff der Grafschaft. Doch darunter trägt sie ein Alltagsgewand, dass wohl jedes adelige Auge beleidigen würde.

Erst jetzt sieht er sie und man erkennt deutlich den Wandel in seinem Gesicht. Er wird blass und scheint kaum richtig atmen zu können. Der Knappe zieht sich derweil zurück, schließt die Tür hinter sich und lässt so Josua und Ava alleine. Eine Weile herrscht ein tiefes Schweigen im Raum. So lange Zeit ist es her, dass sie sich das letzte Mal Auge und Auge gegenüberstanden. Ava selbst ist auch etwas blass um die Nase geworden, doch sie findet, dass sie sich in Anbetracht der Situation erstaunlich gut hält. Ganz ruhig. Du wusstest, dass das schwer wird. Halt dich einfach an den Plan.

“Hallo Josua…” Ihre Stimme ist leise, aber frei vom Zittern. Soweit so gut!

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Josua öffnet den Mund, schließt ihn wieder und öffnet ihn erneut, aber sprechen konnte er nicht. Er schluckt, sucht dann Hilfe suchend sich im Raum um. Wie zu erwarten war, gab es hier niemand, der ihm beistand. Ava vielleicht? Es blieb beim vielleicht.

Schließlich fasst er seine Frau wieder fest ins Auge. Nichts an ihr hatte sich verändert. Sie schien ein wenig abgespannt zu sein, aber dies mochte auch und sicherlich die Reise bedingen.

Sein Herz hämmerte als gäbe es keinen Morgen und nicht selten in diesen wenigen Augenblicke glaubt Josua es wäre stehen geblieben vor lauter Hast.  Hallo Josua halt ihre Stimme so leise sie auch war tief in ihm wieder, fast wie ein Glockenspiel von größer Sorgfalt gestimmt und geläutet.

„Grüße dich, A..“ Josua stockt kurz und setzt nochmal an und bekommt, anders als Ava, die Worte nur mühsam über die Lippen: „A-A-Av-Ava. Ich meine, … ich will sagen… Ava… Hallo.“

Der Grafensohn begnügt sich mit der Fertigstellung seines Satzes, auch wenn es in ihm brennt ihr hunderte von Fragen zu stellen. Es würden vielleicht gar noch mehr werden.

Noch immer wie angewurzelt suchen seine tief blauen Augen den Raum ab, schon wieder, als würden sie etwas suchen, nur um ihr nicht direkt in die Ihren schauen zu müssen. Es war schon so lange her , Tage an denen er glücklich und zufrieden war, Tage an denen sein Lebensglück endlos schien.

Wieder klopft es an der Tür. Der Dunedain antwortet nicht. Es klopft erneut und auch diesmal reagiert Josua nicht. Erst beim dritten Mal entlockt es ihm eine Reaktion und auch nur weil sich die Tür öffnet und Imormyn im Türrahmen steht. Er blickt von einer Frau zu nächsten. Wie würde Ava auf diese Frau reagieren?

„Geh!“ flüstert er und als diese nicht reagiert schreit Josua sie an, sie möge gehen und dies sofort.

Und weil er so gar nicht weiß wie es mit ihnen weitergehen soll dreht er sich weg und starrt aus dem Fenster. Und schließlich geht die Tür wieder zu. Die Frau, die drauf und dran war sein Herz zu erobern und sei es nur des Trostes wegen. So stand er dort wo er heute Morgen die Kinder gesehen hatte. Seine waren nicht hier, soviel war klar. Eine Reise mit ihnen zu unternehmen sollte schlicht unmöglich sein.

„Es ist lange her, Ava“, seine Stimme trägt die Fassung eines Mannes, der eine ganze Grafschaft zu regieren wusste. Es war eine Feststellung, nicht mehr und nicht weniger. Und auf einmal sprudelt es aus ihm heraus, die ganze Verzweiflung und die Ungewissheit. Liebte er sie noch?

„Warum jetzt?! Warum! 856 Briefe, 9000 Zeilen, Lieder, Gedichte, Sehnsucht, Leidenschaft, Hoffnung, Verzweiflung, Trauer, Angst, Wut, so viele Worte… und nicht ein Wort von dir! Nicht eines!“

Mit einem Mal hatte er sich umgedreht und blitze sein Frau (war sie es noch?) mit tiefblauen Augen voller Zorn an und doch sagt er völlig ruhig, ja beinahe kalt: „warum jetzt?“

Sicherlich ist er überrascht Ava zu sehen. Das hatte sie auch nicht anders erwartet, da sie mehr oder weniger ohne große Vorankündigung hier angereist ist. Briefe hätten eh nichts gebracht, denn Antworten hatte sie nie erhalten. Doch es scheint nicht nur Überraschung zu sein, die es Josua schwer macht, eine Begrüßung über die Lippen zu bringen. Auch nervös? Oder eher genervt? Freust du dich mich zu sehen? Oder ist es eine Last für dich, dass ich hier bin? Es hat den Anschein, als wäre letzteres der Fall, denn er schafft es nicht mal ihr in die Augen zu blicken.

Ava schluckt schwer. Soweit ist es also schon gekommen. Du erträgst meinen Anblick nicht mehr. Doch sagen kann sie nichts ehe es erneut wieder an der Tür klopft. Es klopft und klopft, bis sie sich schließlich von selbst öffnet. Eine junge, hübsche Frau, Ava in der Erscheinung nicht so unähnlich, steht im Türrahmen und blick zu ihnen herüber. Ava blickt von ihr zu Josua und sieht, wie er von ihr zu der Frau an der Tür blickt. Ein schlimmer Verdacht keimt in Ava auf. Ist diese Frau womöglich der Grund, warum er ihr nicht geschrieben hat? In der Tat ist sie der Grund warum nie ein Brief Josuas Ava erreichte und warum nie ein Brief, den Ava ihrem Mann geschrieben hat, bei ihm ankam. Doch gehen Avas Vermutungen in eine komplett andere Richtung. Eine Andere? Er hat also wirklich eine Andere? Kannst du mir deshalb nicht mehr in die Augen blicken? Hast du deshalb nie Zeit gefunden mir zu schreiben? Zugegeben, schön sieht sie aus. Wie eine echte Hofdame.

Es ist ein Stich tief ins Herz und Ava hatte nicht erwartet, dass ihr etwas, dass Josua betrifft nochmal so weh tun könnte. Im Grunde ist es nur ein Verdacht ihrerseits, doch je mehr sie darüber nachdenkt, desto mehr macht es Sinn in ihrem Kopf. Als er die Frau schließlich auch noch anschreit, blickt Ava betreten zu Boden. So laut hatte sie ihren Mann noch nie gehört. Tränen treten ihr in die Augen, doch Josua wendet sich zu früh ab um sie zu sehen. Verdammt nochmal… Es ist der gleiche Schmerz wie an dem Tag an dem er fortgegangen ist. Doch dieses Mal ist auch eine gehörige Portion Hass dabei. Hass auf ihn und Hass auf sich selbst. Dafür, dass es noch immer so wehtut!

Schnell wischt sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Er soll sie nicht so sehen, wenn er sich wieder umdreht. Denn nach seiner gefassten Stimme zu urteilen, die den nüchternen Satz ausspricht, dass es lange her ist, scheint ihn das Ganze nicht so sehr zu berühren. Also warum sollte es mir nahe gehen? Nein. Diesmal nicht. Ich habe das Trauern hinter mir. Ich bin stark! Ich schaffe das.

Trotzdem kommen seine Worte überraschend. Er dreht sich um und Zorn liegt in seinen Zügen. Er spricht von Briefen, von Hass und Leid. Ava versteht seine Worte nicht und die Kälte mit der er nach dem Warum fragt, nach dem Grund ihrer Anwesenheit, ängstigt sie. Ist das hier tatsächlich noch ihr Mann? Sie hatte ihn noch nie so erlebt!

Wieder beginnen ihre Augen vor aufsteigender Tränen zu glänzen, doch Ava behält die Fassung. Sie weißt zwar nicht, was er da redet, aber die Wahrheit spricht er nicht. Kein Brief. Nicht einer ist bei mir angekommen! Ich stehe hier und du hast nichts besseres zu tun, als mich anzulügen?

“856 Briefe? 9000 Zeilen? Vielleicht in deinen Gedanken!” Wobei ich auch daran Zweifel. Du scheinst ja gut beschäftigt gewesen zu sein mit deiner neuen Freundin! “Ich hab dir so oft geschrieben, so viele Stunden mit Worten verbracht, so sehr auf ein Zeichen von dir gehofft. Irgendetwas. Und nichts, nichts ist jemals gekommen.” Ihre Stimme ist wütend und traurig, verzweifelt und zornig. Sie ist nicht gefasst. Ganz im Gegenteil. Ava reagiert ungewöhnlich emotional. “Du hast keine Ahnung, wie es ist jeden Tag sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen zu warten! Und nun besitzt du auch noch die Dreistigkeit mich zu fragen, warum ich gekommen bin?”

Sie hält ihn mit ihren blauen Augen fixiert und ihr ganzer Körper bebt regelrecht unter dem blauen Mantel. Ihre Hände haben sich verkrampft und aus ihrem Gesicht ist jegliche Farbe gewichen.

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„Habe ich nicht?! Habe ich nicht? Meine liebe Ava, Tag für Tag warte ich sehnsüchtig auf eine Antwort, ein einziger Satz, ein einfach schöner Satz, dass es euch gut geht. Eine Zeile unter den vielen schlechten Nachrichten. NUR eine Gute. Ich weiß sehr wohl wie ist es. Glaube es mir! Egal auf wen, ich muss warten und hoffen, dass nicht noch eine schlechtere Nachricht der ersten folgt. Vater liegt im Sterben. Sangfugol, Hastean und nicht zu Letzt Josion sind verschollen, seit Monaten fort und nichts bleibt mir als zu warten und ertragen zu müssen, dass ich nichts tun kann. Gar nichts, außer verwalten, verwalten, verwalten.“

Josua zeigt auf eine Pritsche neben dem Kamin. „Siehst du das? Ich schlafe auf einer Pritsche, weil ich nicht einen Augenblick Ruhe finde. Ständig kommt jemand und überbringt mir schlechte Nachrichten. Also… was willst du mir jetzt sagen? Ich werde es schon ertragen, denn offenbar kommst du nicht, um mir zu sagen, dass du mich vermisst hast.“

Der Grafensohn rechnet nach, mustert dann seine Frau, die noch immer bleich und abgespannt aussieht. Vielleicht erwartet sie ein Kind? Hat sie sich vielleicht Sanius gewählt? Und will sich nun ganz offiziell lösen? So weit ist es also… verfluchter Mist, sprich es nicht aus, es bricht mir das Herz! Bitte, Ava, ich kann nicht mehr, noch so eine Nachricht und ich springe in mein Schwert.

Der Dúnedain steht da und scheint mit jedem Augenblick älter zu werden. Schweren Herzens und mit hängenden Schultern spricht er nun, ganz ohne Emotionen, so wie man es ihm beigebracht hatte, wenn man Geschäfte machte: „Ich mache es dir einfach, lasse den Burgvogt rufen und du musst nur unterschreiben. Aber die Kinder möchte ich sehen, wenigstens einmal im Jahr wird man sie abholen.“

Dann geht er zu seinem Pult herüber und macht Ordnung indem er die vielen angefangen, oder alte Versionen, einiger Briefe an Ava in einen Korb schiebt, um an die Karaffe heranzukommen.

„Wein ist sicherlich in deinem Zustand nicht empfehlenswert. Ich lasse dir Kräuterwasser bringen.“

Kraftlos zieht er an einer roten, breiten Kordel und von fern hört man eine Glocke läuten. Kurz darauf klopft es an der Tür, und eine Hofdame, keine andere als die Intrigantin selbst tritt ein: „Du hast gerufen? Was darf ich für Euch tun, mein Herr?“

„Bitte bring meinem Gast frisches Quellwasser und rupfe aus dem Garten die feinsten Kräuter.“ Etwas verwundert ist Josua schon, für Gewöhnlich sollte Küchenpersonal kommen. Irgendeines der jüngsten Mädchen am Hof, eben eines das des Morgens so heiter in den Gassen spielte. „Sehr wohl“ spricht die Dame im merkwürdigen Unterton und verschwindet wieder.

„Wo sind meine Gedanken, du solltest dich setzen. Komm…“

Er nimmt sein Glas Wein und deutet auf eine Flügeltür zum nächsten Raum. Ein Raum, in dem er Gäste der Grafschaft empfängt. Ein Raum mit ganz edlem hellen Holz, bezogen mit dem dunklen, blauen Stoff, der so typisch ist für diese Gegend.

Endlich aber begreift er und stellt das Glas ab, um Ava aus dem Mantel, ebenso ein Gut dieser Gegend, abzunehmen zu wollen. „Entschuldige…“. Ach der Vogt, mist… naja Imormyn muss ja nochmal kommen.

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Was? Ava versteht nicht. Ava versteht ihn nicht. So viele Gedanken, so viele Informationen und noch dazu dieses Meer an Gefühlen in dem sie fast hilflos zu ertrinken scheint. Er hat auf Nachricht von mir gewartet? Ja, hätte ich denn noch mehr schreiben sollen? Oder hat er auf GUTE Nachrichten gewartet? Stimmt schon. Die letzten Briefe, die ich geschrieben habe, waren nicht mehr die Schönste. Aber trotzdem keine schlechten Nachrichten. Als Josua seinen Vater anspricht, wird Ava noch flauer im Magen. Sie mag den Grafen recht gern. Er war immer gütig und freundlich zu ihr gewesen. Und ihn nun so früh schon zu verlieren. Schrecklich. Und ich habe mich nicht mal nach ihm erkundigt. Vielleicht kann ich ja etwas tun? Sie weiß selbst, dass das im Grunde eine törichte Idee ist. Er hatte sicher nur die besten Heiler um sich herum. Wie sollte sie da noch mehr ausrichten? Sie würde wahrscheinlich nur so verzagen, wie alle anderen. Trotzdem werde ich ihn besuchen. Das nimmt sie sich fest vor. Doch warum sind sein Bruder und Hastean und Sangfugol verschollen? Wo sind sie denn hingeritten? Warum verschollen?

Langsam gewinnt sie eine Ahnung von dem, was Josua im letzten Jahr alles durchgemacht hat. Die Familie krank oder verschollen und nun lastet die Verantwortung einer Grafschaft auf ihm! Armer Josua..nein, kein armer Josua. Kein Mitleid! Dies alles entschuldigt nicht sein Verhalten mir gegenüber! Nur ein paar Zeilen und ich wäre hier gewesen um dir bei zu stehen in dieser schweren Zeit! Doch du ziehst es ja vor mit dieser Hofgöre…. Avas Eingweide verkrampfen sich bei dem Gedanken, wie er und diese andere Frau die Pritsche teilen, auf die er da grade eben weißt.

Sieh es ein. Sein Leben geht dich nichts mehr an. Er hat sich so entschieden. Denk daran, weswegen du hier bist. Einen klaren Schlussstrich, damit du auf der Insel einen Neuanfang wagen kannst. Ein neues Leben in dem du nicht mehr auf Nachricht von ihm wartest! Wie es aussieht ist es auch das, wonach Josua der Sinn steht. Denn ohne ein Funken von Trauer in der Stimme verkündet er, dass er den Burgvogt rufen würde um ihre Trennung offiziell zu machen! So schnell?

Im Grunde ist es ja das, weswegen Ava hier ist und doch befriedigen sie seine Worte irgendwie nicht. Sie hatte anderes erwartet. Irgendetwas! Eine Reaktion. Eine Emotion. Und kein…ich lass dann mal die Papiere aufsetzen! Und du hast mir mal ewige Liebe geschworen. Enttäuschend zu sehen, wie schnell doch sowas verfliegt! Ihr Magen verkrampft noch ein Stück weiter und zusätzlich wird es ihr schummerig vor Augen. Schweiß tritt ihr auf die Stirn und sie wird ganz blass um die Nase.

Wenigstens scheint Josua das noch an ihr aufzufallen, denn er stellt fest, dass in diesem Zustand wohl Wein nicht das Richtige ist und sie nun ein Glas Wasser braucht. Ja, Wasser wäre jetzt nicht schlecht. Meine Kehle ist so trocken. Oh Josua…wie konntest du nur… Kaum läutet er, tritt auch schon die Person ein, die Avas Meinung nach mit ein Grund für alles hier ist. Sie hat sich bestimmt die Ohren an der Tür platt gedrückt! Ava würdigt sie keines Blickes, sondern starrt irgendwo anders hin. So viel hatte sie Josua sagen wollen. Irgendwie hatte sie die kuriose Vermutung gehabt, sie könne mit ihm im Reinen auseinander gehen, als gute Freunde. Eine törrichte Idee!

Er führt sie in einen Nebenraum, dessen Pracht Ava kaum wahrnimmt. Aus edlem, hellen Holz ist dieses Zimmer gemacht, die schweren Vorhänge und die Bezüge im gleichen, dunklen Blau gehalten. Hier gibt es mehrere Sitzgruppen. Ava wählt die Nächste. Wie in Trance lässt sie sich von ihm aus dem Umhang helfen. Darunter trägt sie ein schlichtes Leinenkleid. Ein länglicher Ausschnitt, der nicht viel Einblick gewährt, lange Ärmel, die sich nach unten hin weiten. Das Kleid liegt eng an und offenbart, wie dünn Ava doch geworden ist. Durch den Stress als zweifache Mutter und Tempelherrin und durch die Trauer um Josua, hatte Nahrung einen nur sehr geringen Stellenwert in ihrem Leben bekommen, so dass sie das Gewicht nach der Geburt schnell wieder runter hatte. Was sie auch ein wenig der guten Abstammung zu verdanken hat, denn ihre Mutter war auch nach den Geburten ihrer Kinder immer recht schnell wieder schmal und drahtig geworden.

Mit einem fahlen Gesichtsausdruck sieht sie ihn an. Ihre Hände zittern leicht, so dass sie sie in ihren Schoß legt und faltet. Ihr Blick trübt sich ein wenig, doch ist er weiterhin auf Josua gerichtet. Sie mich an, wenn du mir antwortest. Sag es mir direkt ins Gesicht! Das erste Mal nach seinem langen Wortschwall öffnet sie wieder den Mund. “So…so soll es also nun enden?!”

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Josua schaut Ava lange schweigend an und kramt dabei in seiner Erinnerung wie er Ava erlebt hatte, als sie seine Kinder unter dem Herzen trug. Nein so dünn war sie nicht, aber es waren zwei Kinder. Schlimmer noch Ava schien noch schlanker zu sein als vor der Geburt der Zwillinge.

Er mustert das schlichte Kleid. Es gefiel ihm was er sieht, auch wenn er das gute Stück etwas zu zugeknöpft empfindet. Dennoch lässt es ihn schwer schlucken, Ava aufzugeben fiel ihm nicht leicht, überhaupt nicht einfach. Es ließ sich so leicht sagen.

Große Augen sehen in an, blicken aus einem fahlem Gesicht. Sie zitterte, dabei schlien sie nicht zu frieren. Immerhin hatte sie lange Ärmel an ihrem Kleid.

So soll es enden… ist es nicht das was du von mir verlangst. Dich zu lieben, heißt loslassen. Wenn ich eines begriffen habe in dieser langen Zeit, dann dies.

Auch in diesem Raum steht eine Karaffe Wein. Bevor er ihr antworten möchte, glaubt er sich betrinken zu müssen, obwohl dies kaum möglich war. Josua hatte es versucht sich in den Trauben zu verlieren, aber er wurde nur resistenter.

Er lehrt sein Glas und schaut sie wieder an. Ein fester Blick, eine annehmbare Haltung und ein Tief der Augen, die Jahre hinter sich gelassen haben.

„Deswegen bist du doch gekommen. Dein Blick spricht mehr als dein Mund“, meint er, irgendwie bemüht sachlich zu klingen.

„Nur hatte ich … gehofft es wäre anders“, fügt er leise hinzu. Aber als ich dich sah, sah ich dein Kommen…

„Und nun, wie weit bist du? Ich finde du musst für dein Vorhaben mehr auf die Rippen bringen. Versteh mich nicht falsch, aber du wirst ein Polster brauchen, wenn auch nicht für zwei Kinder. Wird es ein Mädchen? Sanuis würde ein Mädchen gut stehen, so mit deinen Haaren, deinen Beinen…“

Was redest du denn da!

„Ich meine.. Entschuldige.“ Nun dreht er sich doch weg, um seine glasigen Augen zu verbergen. Er kann es nicht mehr ertragen, der Sarkasmus brachte ihn auch kein Seelenheil.

„War er der Grund, dass du nicht geschrieben hast? Nicht einmal geantwortet?“ Der Grafensohn hatte sich nicht setzen wollen. Er lief mal hier, mal dort, auf und ab und wartete auf eine willkommene Ablenkung, die aber nicht kommen mochte. Wo bleibt nur das Wasser! Also nochmal von vorne und diesmal lässt du deiner Ava mehr Platz um sich zu erklären. Und Junge, sieh es ein, sie ist nicht mehr deine Ava!

Josua holt Luft und entschuldigte sich nochmals für seinen verbalen Ausrutscher. Doch mehrmals versuchte Neuanfänge bleiben ebenso aus. Er brachte es einfach nicht über die Lippen.

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Lange sehen sie sich an und Ava beginnt unter dem vor Sorgen gegrämten Gesicht nach ihrem Josua zu suchen. Bist du noch da? Bist du noch hier? Bei mir? Der Mann, der dichtet und lacht. Den Mann, dem sie bis jetzt gegenüber gestanden hatte, der hatte rein gar nichts mit ihrem Josua zu tun gehabt. Er hatte geschrien, war emotionslos gewesen, kalt und frostig und war dabei einen über die Maße zu trinken. Und das um diese Tageszeit!

 Doch was sie sieht, lässt Ava nur noch mehr erzittern. Eine straffe, fast militärische Haltung, ein harter Blick, sachliche Worte. Nichts…nichts mehr von ihm..rein gar nichts mehr von ihm.. Ihr Blick zeigt entsetzen und Josua scheint es sofort aufzufangen. Mein Blick zeigt mehr als mein Mund? Nunja, ihr Blick wird trüb, ihr Mund trocken. Wo bleibt dieses Wasser? Sie braucht es wirklich, denn was sie hört ist so unfassbar, dass Ava glaubt jeglichen Halt unter den Füßen zu verlieren.

 Zuerst versteht sie nicht, was er da sagt. Vorhaben? Rippen? Sie legt die Stirn in Falten und schaut ihn fragend an. Doch dann fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Er denkt ich bin wieder schwanger? Avas Augen weiten sich vor entsetzen und mit einem Mal wird ihr schlecht. Der trockene Mund, der flaue Magen, der sich nun so verkrampft, dass Ava das Gefühl hat sich übergeben zu müssen. Doch sie hat heute noch zu wenig gegessen, so dass nur der bittere Geschmack der Galle zu spüren ist. Seine nächsten Worte, die Entschuldigung, hört sie kaum, denn ihre Gedanken drehen sich immer noch um das, was er ihr grade an den Kopf geworfen hat. Ein Mädchen. Mit deinen Beinen und deinen Haaren. Seine Worte sprudeln nur so vor Sarkasmus und sie treffen Schlag auf Schlag!

 Ihre Hände zittern, ihr Magen dreht sich, ihr Blick ist trübe, ihre Knie weich und ihr Kopf ist vollkommen leer. Trotzdem schafft sie es irgendwie sich zu erheben. Wenn er sich schon nicht zu ihr setzen will, so muss sie zu ihm gehen. Noch hat er ihr den Rücken zugewandt, doch als er sich umdreht um wohl weitere Worte der Entschuldigung zu finden, steht sie bereits hinter ihm, holt aus und schlägt ihn mit der flachen Hand ins Gesicht.

 “Wie kannst du nur…” Die Hand wird zur Faust und sie trifft ihn an der Schulter. “Wie kannst du es nur wagen so etwas zu sagen! Ich bin treu gewesen im Gegensatz zu dir!” Die andere Hand kommt auf höhe seines Oberarmes zum Einsatz. Ihre Stimme ist erstickt vor Tränen, die beginnen hemmungslos über ihre Wangen zu laufen. “Ich habe mit keinem anderen Mann das Bett geteilt und ich…ich…” Sie schnappt nach Luft und die Welt um sie herum beginnt sich zu drehen. Ihre Bewegungen werden unkontrolliert und Ava wird schwarz vor Augen. Das letzte was sie durch tränennasse Wimpern wahrnimmt ist Josuas Gesicht. Dann versinkt sie in Dunkelheit!

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rgendwie steht es Schlag auf Schlag. Erst trifft Ava Jousa mit der Hand ins Gesicht. Den hatte er verdient. Dann eine Faust am Arm. Den hatte er vielleicht auch noch verdient. Den Dritten aber wehrt er ab, schnell und ausdauernd wie er ist, und verdreht seiner Frau unglücklich den Arm. Später wird er sich große Vorwürfe machen, denn kurz darauf verliert Ava die Besinnung.

Gerade noch kann er sie abfangen, bevor sie hart mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen wäre. „Du bist so ein Narr, Josua! So ein verdammter Kerl.Willst du sie umbringen?!“

Er rutscht erst auf die Knie, seine Frau im Arm und all ihre Worte prasseln immer wieder auf ihn ein. Sie war dir treu. Kein anderes Bett geteilt. Kein anderer Mann. „Vergib mir Ava…. ich bitte dich. Vergib mir.“ Im Gegensatz zu dir? Was meint sie… unwichtig!

Schnell schiebt er den Gedanken bei Seite, hebt sie auf auf, Hilfe, ist sie leicht geworden!, stürmt mit ihr aus dem Zimmer und läuft im Laufschritt in den Krankenflügel.

Dort ist man nicht wenig überrascht. Den Grafensohn sah man hier selten, obwohl der alte Graf auch hier das Bett hütete. Natürlich hatte dieser ein besonders prächtiges Zimmer, aber die Räume wo Jousa seine Frau hin brachte, im Schlepptau fähige Heiler, die im eileend und Frage stellend was geschehen war, waren durchaus als einladend zu betiteln. Die Helfer aber bekommen nur ein: „Später!“ von dem Dúnedain zu hören.

Sanft bettet Josua seine besinnungslose Ava auf ein Bett. Die kranken Gäste in diesen Hallen hatten weit bessere Gemütlichkeit als es bei vielen Daheim der Fall war.

Von überall her, kamen junge Mädchen, die etwa die Fenster schlossen, Wärmeöfen entzündeten, Wasser, Tücher sonst was brachten.

Doch und das war ebenso selten, nahm sich Josua selbst ein feuchtes Tuch aus einer Schale aus der es angenehm nach Birkenblättern roch.

Und in diesem Augenblick war er es wieder, den Josua den seine Frau suchte. Liebevoll streicht er ihr blonde Strähnen aus dem Gesicht und betupft es immer wieder, ganz sanft und vorsichtig.

„Wenn sie wach wird, will ich dass sie so lange in diesem Bett bleibt, bis sie was gegessen und drei Liter getrunken hat. Habe ich mich da deutlichst ausgedrückt?“

„Ja Herr“, antwortet ein ganzer Stall voll stimmen. Dann widmet sich der Grafensohn wieder seiner Frau bis eine rüstige Alte den Besorgten zur Seite schiebt. „Lass uns machen Jüngchen“, spricht sie sanft und bugsiert ihn weg, damit sie Ava unter ihren alten Augen mustern konnte. Schließlich gibt sie den Mädchen klare Ansagen und im Nu sollte Ava in frische Wäsche gehüllt warm in dem Bett wie eine schlafende Prinzessin ruhen dürfen.

Das ganze mit Argusaugen beobachtet, damit niemand auch nur dachte Ava ein Haar zu krümmen. Indes macht sich Josua große Vorwürfe. Flüstert unterrichtet er einem Heiler, was vorgefallen war, aber ein Abnicken der alten Frau, soll Josua von jedweder Schuld befreien. Wegen des festen Griffs ist sie nicht umgefallen, wohl aber durch Mattigkeit und der unnötigen Unterredung, nein Streiterei. Wobei er letzteres nicht erwähnt hatte.

Jetzt wartet Josua darauf, dass Ava wieder wach werden würde, nur um im selben Augenblick zu ihr ans Bett zu springen. Schlussendlich ist er es aber, der alle fort schickt und sich selbst an Avas Seite setzt und sich ganz alleine um sie kümmert.

Vergib mir, oh meine Herrin. Das wollte ich nicht. Und endlich haucht er, anfänglich sehr brüchig und unklar, wieder eine Melodie an, etwas das schier ein Jahr nicht mehr vorgekommen war, bis er auch schließlich die Melodie in zarte Worte fassen kann:

“Bin, im Innersten zerrissen,

blicke in dein bleiches Angesicht,

ich mich von dir wende, willst du wissen?

Ich will es nicht!

Ob deiner Stimme Liebesgrüße,

Deine Schönheit, die dein Haupt umflicht,

Ist sie schlicht verloren diese Süße?

Ich will es nicht!

Soll es sein, dein Lebwohl, peindurchlodert,

die dein Mund gar leise spricht,

Sag nicht, es sei vom Geschick gefordert…

Ich will es nicht!

Weißt nicht, wie ich leide, schmerzend mein Verzagen

sag nicht: wann mein Herz zerbricht,

sag nur: Ein jedes Menschenherz vermag zu tragen,

Ob Liebe ist vorhanden, oder leider nicht.”

“Was ist geschehen? Was nur?”

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Ava bekommt von dem Geschehen um sich herum nichts mit. Weder, dass ihr Mann sie auf Händen in den Krankenflügel trägt, noch das Bemühen der Heiler und das Umziehen durch die Tempeldiener. Sie ist gefangen in tiefem Schwarz, fernab von Raum und Zeit. Ein Zustand, der im Moment fast besser zu sein scheint, als die Augen wieder aufzuschlagen und weiter die verbalen Hiebe ihres Mannes ertragen zu müssen.

Doch von Fern dringt etwas an sie heran. Sanft und lieblich. Eine Melodie, so glaubt sie. Sie folgt der Stimme aus dem Dunkeln heraus und doch verliert sie sich am Ende, bevor Ava es schafft wieder die Augen aufzuschlagen. Langsam blinzelt sie gegen das Licht an, dass die Dunkelheit vor ihren Augen und aus ihrem Kopf verdrängt. Ihr Körper fühlt sich matt an, ihre Kehle immer noch trocken. Sie liegt in einem weichen Bett, riecht den Duft der Kissen und etwas, dass nach Birke? zu sein scheint. Der Raum ist warm und doch sind Avas Hände kalt wie Eis. Orientieren fällt schwer, da sie noch nie zuvor in diesen Räumen war. Das einzig ihr bekannt ist Josua und sein Anblick bringt leider die Erinnerungen an die Ereignisse vor ihrem Zusammenbruch mit sich.

 Ich hab ihn geschlagen! Aber er hat es verdient! Trotzdem schlägt man niemanden. Auch wenn er es verdient hat. Und…er hat gesagt…und ich hab gesagt… Am liebsten hätte sie die Augen wieder geschlossen in der Hoffnung, dass sich am Ende doch alles nur als ein schlechter Traum herausstellen würde. Doch das würde es nicht. Ava weiß es. So bleibt ihr kaum eine andere Wahl, als sich der Realität zu stellen.

“Josua…” Ihre Stimme ist trocken. Sie sieht sich um und sucht nach etwas Wasser um kurz darauf Anstalten zu machen sich aufzusetzen.

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Es dauert eine ganze Weile, da wird seine Frau wieder wach. Na endlich! Und das erste was sie sagt ist sein Namen, nur um sich gleich darauf aufrichten zu wollen. Gutmütig schüttelt er den Kopf: „Nenene, ich habe angewiesen, dass du erst aus dem Bett wieder raus kommst, wenn du gegessen und getrunken hast und ich werde alles dran setzen meine Anweisungen auch zu befolgen, auch wenn die Androhung sich neue Arbeit zu suchen mich durchaus reizen würde.“

Er lächelt sie an und drückt sie sanft in die Kissen. Greift nach einem Becher der auf einem kleinen Tischchen neben dem Bett steht und stützt dann seine Anvertraute um ihr beim Trinken zu helfen. Sobald sie genug hat richtet er sie wieder im Bett. „Ich denke wir müssen einiges richtig stellen.“

„Einmal, du bist in meinen Hallen der Heilung. Unglückerweise brauchen wir diesen Flügel in letzter Zeit einfach zu oft. Es ist bei weitem nicht so groß wie dein Tempel, aber wir haben vernünftige Leute hier.

Zum anderen, …“ und jetzt wurde sein Blick ernster „ich habe keine Liebschaft. Wie kommst du darauf? Das ist doch Unsinn. Ich habe nicht einmal die Zeit dafür.

Und weiter: Ava, es tut mir unendlich Leid! Was habe ich dir angetan! Aber ich schwöre, ich habe alles getan, um dich umsorgt zu wissen, alles. Doch war es anscheinend nicht genug. Es macht mich traurig, dich so zu sehen und nein, das wollte ich nicht.“

Josua studiert ihr Gesicht und küsst sie dann freundschaftlich auf die Stirn. Er hatte noch Avas Blick im Gedächtnis und etwas daran sagte ihm, dass sie kam um eine Trennung zu wünschen.

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Irgendetwas scheint sich während ihrer Bewusstlosigkeit verändert zu haben, denn mit einem Mal scheint Josua wieder zu Scherzen aufgelegt zu sein. Er drückt sie fürsorglich zurück in die Kissen und reicht ihr stattdessen den Becher. Ava greift danach und trinkt fast gierig, lässt sich sogar nochmal nachschenken. Trinken und Essen. Eine gute Idee. Ich habe heute morgen vor Nervosität rein gar nichts herunter bekommen. Josua hilft ihr und mit jedem Schluck, der ihre Kehle hintunter rinnt, geht es Ava besser. Langsam kommt ihr Kreislauf wieder etwas in Schwung und etwas Farbe kehrt in ihre Gesicht zurück.

Trotzdem bleibt ihr nicht viel Zeit sich wieder etwas zu erholen, denn offenbar will Josua gleich zur Sache kommen. Krankenflügel. Aha. Sie sieht sich kurz im Raum um und befindet, dass es ein wirklich schöner Krankenflügel ist. Soviel Luxus hatten sie im Tempel eindeutig nicht. Doch bietet Josua mehr als bloße Orientierungshilfe. Sein Gesicht wird ernst und er erklärt ihr, dass er keine Affäre mit irgendjemand anderem hat.

“Aber…was ist mit dieser Frau? Dieser Hofdame?” platz es aus Ava heraus. Sie hatte doch ganz eindeutig gesehen, welche Blicke sie einander zugeworfen hatten. Oder etwa doch nicht? Ava ist so verwirrt.

Doch er entschuldigt sich und Ava nimmt an, dass es für seine letzten Worte ist. Sie hatten sie wirklich getroffen, auch wenn sie sich selbst eingestehen muss, dass er vielleicht ein kleines bisschen recht hatte. So absolut treu war sie ihm wohl nicht gewesen. Sie hatte zwar mit keinem anderen Mann das Bett geteilt, aber Untreue beginnt ja nicht erst im Schlafzimmer. Dieser Gedanke bringt schlagartig sehr viel Farbe in ihre Gesicht und Ava setzt alles daran das fürs Erste zu vergessen. Ein anderes Kapitel zum neuen Anfang. Das kommt später.

Jetzt ist erstmal wieder ihr Mann dran sie zu küssen und Ava lässt es ohne zurück zu weichen geschehen. Es ist eh nur ein Hauch auf die Stirn. Kaum etwas um es ernst zu nehmen und doch ein seltsames Gefühl. Sie schluckt und sieht sich wieder nach dem Wasser um, dass sie nun schon selbst ergreifen kann. Hastig trinkt sie einige Schlucke und stellt dann den Becher wieder ab. Denn nun ist es an ihr ein ‘es tut mir leid’ über die Lippen zu bringen.

“Ich muss mich auch bei dir entschuldigen. Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. Ich war einfach sehr…wütend…und habe die Beherrschung verloren.” Verlegen sieht sie ihn an und man kann die Reue in ihrem Gesicht erkennen.

“Ich ähm…” bin eigentlich hierher gekommen um mit dir über den Stand der Dinge zu reden. Um die Trennung offiziell zu machen. Und, ist der Burgvogt eigentlich schon da? Ava kneift und formuliert während des Sprechens ihren Satz um. “…habe Hunger!”

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Josua ist sichtlich irriiert. Wen meinte sie? Imormyn? Wie kommt sie denn darauf? Seine Stirm legt sich in Falten und er scheint darüber nachsinnen zu wollen. Hm, sie war aufdringlich, gut, aber mehr? Soll jemand die Frauen verstehen, ich gehöre nicht dazu, soviel ist sicher und mit diesem Hausdrachen muss jemand anderes schlau werden, ich nicht. Das ist einfach undenkbar, sprich hoffnungslos!

Von Avas Vorstellungen von Untreue kann er aus ihrem Gesichtsausdruck kaum etwas erfahren. Noch bevor sie ihre Version einer Entschuldigung hervorbringt, kann er sie schon erahnen. Immer wenn seine Frau etwas sagen musste, was ihr nicht unbedingt so in den Kram passte, nahm sie hastig etwas zu essen oder zu trinken.Daran hat sich wohl nichts geändert.

„Ach das“, so schlichtet er ab, obwohl die Ohrfeige gesessen hatte und sich Etlichen im Raum nicht verbergen wollte, „das ist nichts.“

Es kam ihm auch so vor, als wollte Ava eigentlich etwas anderes sagen, als ihren Appetit zu verkünden. nun ja, etwas auf den Rippen könnte sie durchaus vertragen

Schließlich kann er sogar darüber grinsen. Offenbar ging es ihr wieder besser. „Ein Frühstück also… ich kann immer noch nicht kochen, aber das brauche ich hier auch nicht. Warte hier… und nicht aufstehen!“

Er steht auf und verlässt durch eine Flügeltür das Zimmer. Schon schwirren kleine Mädchen herein und bauen eifrig ein Gestell auf, auf das sie alle möglichen Leckereien auftischen. Von Ei bis Fisch, von Tomate bis Salat, von Früchten und Milchprodukte, alles außer Fleisch, denn Josua aß weder Wurst noch Fleisch gerne am Morgen. Zu trinken gab es allerdings nur Milch. Auch eine Eigenart des Grafensohns. Eines der Mädchen, es hatte einen geflochtenen Zopf und ein niedliches weißes Kleid an, wie die anderen kommt an Ava heran und flüstert sie an: „Wir sollen nicht reden, aber du warst so eine schöne Braut. Das war schön. Herr Josua hat gesagt es geht euch nicht gut und ihr sollt nicht aufstehen. Ihr werdet doch nicht aufstehen, oder? Ich bekomme sonst großen Ärger. Bitte nicht machen, ja?“

Sie schaut Ava mit großen Augen an und stapelt dann schnell die Tücher und Schalen, die gebraucht wurden, um sie dann eiligst fort zu tragen. So schnell die kleinen Helfer gekommen sind, sind sie auch wieder fort.

Nach einiger Zeit kommt Josua wieder. Die intrigante Hofdame fest und recht unsanft am Arm ziehend. „So, ich möchte einiges von dir hören!“

„Aber einen Augenblick musst du warten. Meine Frau möchte gern in Ruhe essen!“

Josua drückt Imormyn auf einen Hocker und hält straff die Hand auf ihre Schulter, um zu verhindern, dass sie türmt.

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Josuas Grinsen scheint ansteckend zu sein, denn über seine Kochbemerkung muss auch Ava lachen. Manche Sachen änderten sich wohl nie. Obwohl ihr Mann während ihrer Ehe schon einige Erfahrungen in Sachen Küche gemacht hatte. Ava muss immer noch lachen, wenn sie sich daran erinnert, wie er einmal versucht hatte ein rohes Ei mit einem Messer aufzuschneiden. Aber Josua hatte auch einiges gelernt. Zum Schluss konnte er ihr sogar ein ganz annehmbares Frühstück ans Bett bringen. Hmm. Die Zeiten sind wohl vorbei.

Oder doch nicht? Denn Frühstück soll sie bekommen. Zwar nicht von ihm persönlich, dafür aber von dutzenden, kleinen Helfern die beginnen um Ava herumzuschwirren wie fleißige Bienen. Um Ava herum beginnen sich Berge von Essen aufzutürmen und Ava greift herzhaft zu. Ein Brot mit Honig, ein paar Kirschen, ein hartgekochtes Ei. Sie trinkt auch brav die warme Milch die man ihr gibt. Doch wäre ihr ein guter Tee wohl lieber gewesen. Trotzdem tut das Frühstück seine Pflicht. Es bringt ihr die Lebensgeister zurück, die sie bei ihrem Streit mit Josua verloren hatte. Dazu trägt aber auch ein kleines Mädchen mit niedlichen Zöpfen bei, dass zu Ava ans Bett tritt. Ava schenkt ihr ein ganz bezauberndes Lächeln und verspricht es ihr. Zumindest so lange, bis es ihr besser geht. Was schon recht bald sein wird.

Ava greift beherzt nach einem Apfel, dessen Bissen ihr jedoch fast im Hals stecken bleiben sollte, als sie Josua wieder hereinkommen sieht. Es ist nicht sein Anblick, der sie so wurmt, sondern der seiner Begleitung. Was will DIE denn hier? Josua hatte auf Avas Anspielung mit der Hofdame nicht direkt reagiert, so dass Ava nun schon etwas irritiert ist sie hier zu sehen. Was würde nun wohl folgen?

“Schon gut…” Bei ihrem Anblick ist mir eh der Appetit vergangen. “…sie soll reden!” Gespannt sieht Ava sie an.

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Die Hofdame schweigt. Taxiert Ava und haucht ihr ein siegessicheres Küsschen entgegen. Da Josua gerade seine Frau betrachtet und feststellt er hätte Imormyn noch draußen lassen sollen bis seine Gattin aufgegessen hatte. Das war kein guter Zug.

„Schön, ich rede“, war sie zunächst nervös und unsicher, entwirrt sie sich des Griffs des Mannes und richtet sich ihren pikiert Rock. „Dein Mann ist ein guter Liebhaber. Er ist zärtlich, weiß was den Damen gefällt und vor allem mir gefällt. Du musst sehr dumm sein, meine Liebe, dass du ihn ziehen lässt. Aber sei dir sicher, ich habe ihn getröstet, besser als du es wohl je könntet. Er hat es gut bei mir.“

Sie schmückt ihre Geschichte aus und Josua klappt es die Kinnladen weit auf, bevor er alle Beherrschung verliert packt er sie wieder unsanft beim Arm. „Ich habe noch kein Weibsbild geschlagen, aber hüte dich, du könntest die erste sein!“ zischt er sie an.

Die Intriganten aber stört das kaum: „Du weißt, ich mag es, wenn du ein Mann bist, Liebster!“

Deine Finger krallen sich in das Fleisch ihres Oberarms, er wendet sich aber an Ava: „Glaub mir, es ist nicht wahr, was sie spricht.“

So hat er sich die Situation nicht vorgestellt, ganz und gar nicht. Machten denn heute alle was sie wollten mit ihm? Zur Hölle mit den Frauen!

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Ava sieht Imormyns Gehabe und ihre Augen verengen sich zu kleinen schmalen Schlitzen, die eindeutig verkünden, dass Meuchelmord doch immer eine Option ist. So wie der Gockel sich in der Nähe eines Rivalen aufplustern würde, so putzt Ava grade ihre Drachenzähnchen um ja nicht die Feuersbrunst, die sie kurz davor ist auszuspeien, aufzuhalten. Ava hat eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was nun kommen wird. Sie wird natürlich alles abstreiten, dreitausend Beteuerungen abliefern und Ava würde am Ende nichts anderes übrig bleiben, als sie Schultern zu zucken und ihr entweder Glauben zu schenken, oder für immer den Keim des Zweifels in sich zu tragen.

Doch was sie dann letzendlich von sich gibt wiederspricht so ziemlich jeder Erwartung von Ava. Guter Liebhaber, weiß, was ihr gefällt, ihn getröstet.. Ava bleibt die Luft weg und sie sieht einen Moment lang wohl nicht weniger verdattert aus, als Josua. Vor allem als Imormyn ins Detail geht. Hat sie? Hat er? Haben sie? Ava weiß gar nicht, was sie denken soll. Vor allem, als Josua sie dann doch recht unsanft zum schweigen bringt und Ava versichert, dass sie lügt.

Obwohl es um das Verhältnis zwischen Ava und Josua grade nicht zum besten steht, tendiert Ava selbstverständlich dazu ihrem Mann zu glauben. Diese Frau war ihr eh von Anfang an unsympathisch gewesen. Das sie eine Lügnerin ist, hat man ihr doch schon an der Nasenspitze angesehen. Es steht ihr quasi auf die Stirn geschrieben! Also mit den Haaren und den O-Beinen fasst Josua dich bestimmt eh nicht an. Er ist ja nicht wahllos. Und wer ist schon so blöd, sowas zu sagen, wenn man wirklich eine Affäre hat? Obwohl…hmm..naja…Affäre ist ja relativ. Vielleicht haben sie doch mal das Bett geteilt? Ein einziges Mal vielleicht? Ava kann nichts dafür. Obwohl sie Imormyn für ein ausgemachtes – das Wort, dass Ava grade durch den Kopf geht, ist wirklich unschön – hält, ist trotzdem diese kleine letzte Unsicherheit da. Und obwohl es ihr ja vollkommen egal sein sollte, da sie ja eh hier ist um es endgültig zu beenden, möchte Ava es genau wissen.

Also nimmt sie alle Haltung, die sie grade aufbringen kann zusammen, und lächelt Imormyn an. “Ganz recht. Er ist wirklich ein guter Liebhaber. Am meisten mag ich es, wenn er an meinem Ohrläppchen knabbert. Du nicht auch? Und besonders niedlich finde ich das Muttermal in Form einer Birne auf seinem rechten Oberschenkel. Ist das nicht goldig?” Sie sieht Imormyn so seelenruhig an, wie es ihr nur möglich ist. Ob sie auf diesen Trick herein fallen würde? Josua hat selbstverständlich kein Muttermal in Form einer Birne am rechten Oberschenkel. Das sitzt an einer ganz anderen Stelle.

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Hätte die Ausführung Imormyns nicht schon die Sprache verschlagen, dann jene von Ava. Musste sie solche Details ihres Ehelebens preis geben? Aber es wird noch besser! Sie verpasst ihm ein Muttermahl, dass er gar nicht hat. Musste es gerade eine Birne sein! Eine Birne!

Josua verdreht die Augen und lässt das Biest zu seiner Seite los. Was hätte es auch nützen sollen? Was machte er jetzt mit ihr? Josua weiß gar nicht wie er reagieren sollte. Einerseits findet er das Machtspiel der beiden Damen ernsthaft lächerlich, anderseits ist er neugierig zu hören, wie es hier weiterging.

Insgesamt fühlt er sich auf eine Schauspielbühne zurückversetzt, blieb nur die Frage wie das Drama enden wollte.

Ava hingegen erntet ein signifikantes Lächeln. „Schätzchen, wenn es eins gäbe, dann wüsste ich es wohl“, meint sie knapp und steht dann auf und spendiert dem Ehepaar ein fieses Augenzwinkern. „Ich denke, der Plausch ist zu Ende. Herzallerliebst, das traute Paar.“

Fragen über fragen prasseln auf Josua ein: Sollte er sie aufhalten, zur Wahrheit zwingen, aufgeben? Schreien, weinen oder gar heulen?

Am liebsten würde er sich einschließen und sich nie wieder vor die Tür wagen. Ava wird mir kein Wort glauben. Vielleicht will sie mir auch nicht glauben? War da vielleicht doch was mit Sanius? Nein! Sie kann nicht lügen. Alle aber Ava nicht!

Die Intrigantin verlässt ihre Bühne und es ist nicht an Josua sie aufzuhalten. Er sackt auf dem Hocker zusammen, schließt die Augen und rauft sich die Haare. „Besser kann es kaum werden!“ kommentiert er den Tag. „Mehr Wein, ich brauche mehr Wein.“

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Imormyn erteilt Ava eine Abfuhr. Entweder hatten sie einander wirklich schon einmal nackt gesehen, oder sie durchschaute Avas, zugegeben etwas deletantischen, Hinterhalt. Zumindest ist sie es, die hocherhobenen Hauptes und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen das Zimmer verlässt und Ava unschlüssig zurück lässt. Lüge? Keine Lüge? Es ist Josua. Dein Mann. Du solltest ihm vertrauen. Wenn nicht ihm, wem dann? Wenn er sagt, sie waren nicht zusammen, dann ist das auch so. Aber…hmm..welche Vorteile hätte sie denn nun aus dieser Situation gezogen? Ich meine, so wie es aussieht, wird Josua sie eh direkt vor die Tür setzen. Ihre Stellung bei Hof kann die vergessen. Und mit der Aussage einen Keil in unsere Ehe treiben? Dazu hätte es sie nicht bedürft. So wie wir uns grade verhalten…naja. Warum also dieser Auftritt? Warum sollte sie ihre Existenz hier so aufs Spiel setzen, wenn nicht doch etwas wahres an der Geschichte dran ist? Wie man es auch dreht und wendet, es ergibt alles keinen Sinn. Josuas Anblick allerdings spricht für ihn. Zusammengesunken wie ein alter Mann ist er auf dem Hocker sitzen geblieben und rauft sich verzweifelt die Haare.

Ava schiebt ihr Essen endgültig beiseite. Der Appetit ist ihr durch diese Posse mehr als vergangen. Was sollte sie nur tun? Einerseits gefällt ihr das Gerede von Imormyn ganz und gar nicht. Die Vorstellung, dass daran auch nur ein Fünkchen an Wahrheit sein könnte, bringt sie zum rasen. Vor Zorn und Schmerz würde sie dabei in die Kissen versinken, sich die Decke über den Kopf ziehen und nie wieder auftauchen. Doch hat sie überhaupt noch das Recht so zu reagieren? Schließlich ist sie hier um diese Beziehung zu beenden. Endgültig. Ein für alle mal. Und beenden bedeutet, dass man auch keine Ansprüche mehr auf die alleinigen Rechte am Anderen besitzt. Außerdem ist da noch diese Sache auf Dol Banred, die eindeutig beweist, dass auch Ava kein Musterbeispiel an Treue war. Eine Tatsache, die Avas Wangen ein wenig erröten lässt und die sie schnell wieder abschüttelt.

 Irgendetwas ist hier am Hof geschehen. Etwas, dass alle hier verrückt spielen lässt und das dafür gesorgt hat, dass Josua … SO …geworden ist. Sie schaut auf das Häufchen Elend vor sich und, wie auch immer sie nun zu ihm stehen mag, diesen Anblick kann sie einfach nicht ertragen! Wo ist der lachende, unbekümmerte und beherzte Mann geblieben? Der immer ein Lied auf den Lippen hatte und so sorglos, wie ein kleines Kind durch die Welt gegangen ist? Was ist hier nur passiert? Schließlich gibt es nur eine Entscheidung zu fällen, nur ein Ausgang aus dieser ganzen Misere, der für Ava in Frage kommt. Ich werde eine Weile hierbleiben und ihm helfen so gut ich kann. Als Freund – soweit dies möglich ist. Und dann werde ich die Papiere des Burgvogt unterschreiben. Und gehen. Für immer.

“Josua….” Aus dieser Entscheidung heraus ist Avas Stimme relativ ruhig. Sie reckt ihm die Hand entgegen und macht deutlich, dass sie gerne hätte, dass er sich wieder zu ihr ans Bett setzen solle. Sonst zwingst du mich aufzustehen. “…was ist hier am Hof passiert? Erzähl es mir. Von Anfang an bitte. Was ist mit deinem Vater? Deinem Bruder? Warum spielen hier alle verrückt?”

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